„Stabat Mater“ in der Christuskirche – eine Rezension
Von Hansgeorg Marzinkowski, 16. April 2022, NGZ / RP Online
Viele Neusser waren am späten Freitagnachmittag in der Christuskirche, als es dort nach zwei Jahren Pause wieder eine Karfreitagsmusik gab. Hauptschiff, Galerien und Orgelempore waren sehr gut besucht. Mit dem „Stabat mater“ von Giovanni Battista Pergolesi wurde in der Passionsmusik am Karfreitag <https://rp-online.de/thema/karfreitag/> eine der berühmtesten Vertonungen dieses aus dem 13. Jahrhundert stammenden Gedichtes über die trauernde Maria am Kreuz aufgeführt.
Pergolesi komponierte das Werk im Jahr 1736 wenige Wochen vor seinem Tod, als er mit nur 26 Jahren an Tuberkulose <https://rp-online.de/thema/tuberkulose/> verstarb. Er schrieb im neu aufkommenden sogenannten „galanten Stil“, der ihn bereits mit seinen Opern rauschende Erfolge in ganz Europa feiern ließ. Auch sein bekanntestes geistliches Werk, das „Stabat mater“, fand rasche Verbreitung.
Bereits Johann Sebastian Bach <https://rp-online.de/thema/johann-sebastian-bach/> nutzte Pergolesis Musik für seine Kantate „Tröste, Höchster, meine Sünden“ (BWV 1083). Zahlreiche Bearbeitungen sind Garant für die Beliebtheit, bis hin zu Otto Nicolai, der 1843 die „Wiener Fassung“ revidierte, die Pergolesi mit vierstimmigem Chor und großem Orchester erweiterte. Christuskirchenkantorin Katja Ulges-Stein leitete eine Fassung, die neben den Solostimmen Sopran und Alt auch den vierstimmigen Chor einsetzte. Und weil sie die Streicherstimmen zur Orgel mit dem Fukio-Saxophonquartett ersetzte, gab es geradezu eine „Neusser Fassung“.
Lena Jaekel (Sopran) und Johanna Killewald (Alt) sangen das Grave des ersten Duettes – „Christi Mutter stand mit Schmerzen bei dem Kreuz und weint von Herzen“ – so, wie es den Schweizer Philosophen und Schriftsteller (1712 – 1778) schwärmen ließ: „Das Intimste, was je ein Komponist geschrieben hat.“ Jaekels starker Sopran führte auch die weiteren Arien mit betörender Schwerelosigkeit, Killewalds Alt war besonders in den Höhen konstant, in reizvollem Kontrast zum dunkel gefärbten Timbre. Das hätte womöglich auch überzeugte Atheisten auf die Knie sinken lassen.
Die Kantorei der evangelischen Christuskirche war sicherer Chor, der das „Stabat mater“ besonders in den Allegro-Teilen heraushob. Und das Fukio-Saxophonquartett hatte schon wenige Tage zuvor bei Bachs „Johannespassion“ in der Quirinusbasilika begeistert. Für diese gelungene Leistung am Karfreitag 2022 gab es keinen Beifall, denn die Liturgin, Pfarrerin Kathrin Jabs-Wohlgemuth, hatte schon zu Beginn gebeten: „Lasst uns diesen Karfreitag bei leidvoller Musik in aller Stille verlassen und am Ende nicht applaudieren.“